Unsere Peterskirche in Weinheim

18. Januar 2015/2. REPORTAGEN

Um 1000 steht die älteste nachweisbare Kirche am Zusammenfluss von Grundelbach und Weschnitz in Weinheim. Das Kirchlein wird in den folgenden Jahrhunderten mehrfach umgebaut und erweitert. Manches spricht dafür, dass am gleichen Platz schon seit etwa 800 eine kleine Kirche stand.

13./14. Jh
Entstehung der Fresken in der Peterskirche, von denen einige heute im Museum zu sehen sind.

  1. Jh.
    Übermalung der alten Fresken durch andere, künstlerisch weniger wertvolle Bilder. Auch diese werden dann ihrerseits im 16. Jh. übermalt, als Kurfürst Friedrich III rigoros gegen Bilder in den Kirchen vorgeht.

  2. Jh
    Der evangelische Glaube hält in Weinheim Einzug: die Peterskirche wird nun evangelisch. Die ist der erste von insgesamt 11 (!) Konfessionswechseln der Peterskirche bis 1705: danach bleibt sie evangelisch.

1811/12
Der baufällige Kirchturm wird abgerissen und durch einen Dachreiter erstezt.

1821
Wie in ganz Baden werden auch in Weinheim evangelisch-reformierte und evangelisch-lutherische Gemeinde vereinigt. Die lutherische Kirche (am heutigen Dürreplatz) wird abgerissen.

1909, 31.12.
Letzter Gottesdienst in der alten Peterskirche. Ab Neujahr 1910 finden die Gottesdienste in der Turnhalle des Gymnasiums statt.

1910
Im Zuge des Abrisses der alten Peterskirche wird die baugeschichtliche Entwicklung erkundet. Erst während des Abrisses werden die alten Fresken wieder entdeckt, die völlig in Vergessenheit geraten waren.

1910, 16.10.
Grundsteinlegung für die neue Peterskirche.

1912, 27.10
Einweihung der neuen Peterskirche.

1960
Innenrenovierung: weite Teile der Jugendstil-Ornamentik werden verputzt.

2004, 17.10.
Wiedereinweihung der Peterskirche nach über einjähriger Sanierung.

Konfessionsstreitigkeiten
im 16./17 Jahrhundert

Der katholische Taufstein
Von den ständigen Konfessionswechseln im 16./17. Jahrhundert zeugt ein Taufstein, den Pater Clencher 1628 während einer katholischen Phase der Peterskirche aufstellen lässt. Die Inschrift im Taufstein berichtet, dass Pater Clencher „zuvor Anno 1627 und 1628 die römisch catholisch Religion wieder eingeführt“ habe. Als die Kirche 1632 wieder evangelisch wird, wird der Taufstein umgehend in den evangelischen Pfarrgarten verfrachtet … Heute ist er im Museum zu sehen.

Friedhofs-Händel
Auf dem evangelisch-reformierten Friedhof werden im 17. Jh. gegen Aufpreis auch Andersgläubige bestattet. Unter dem reformierten Kurfürst Karl will der Gemeinderat der Stadt in der Erbsengasse einen eigenen Friedhof für Lutheraner und Katholiken anlegen. Das ist den Lutheranern, die sonst häufig mit den Reformierten uneins sind, dann doch zu arg: Sie wollen lieber mit Reformierten als nur mit Katholiken beerdigt sein und verzögern die Anlage des neuen Friedhofs erfolgreich. Schließlich wird das Projekt ganz aufgegeben.

Ein Pfarrer wechselt hin und her
Der reformierte Pfarrer der Altstadt, Pfr. Johann Petiscus, konvertiert 1687 zur katholischen Kirche. Seine evangelische Gemeinde, die er seit 1681 betreut hatte, ist er damit natürlich los. Er wird nun vom Kurfürsten zum Bibliothekar und Leiter des Münzkabinett in Mannheim bestellt. Nach wenigen Jahren wechselt er aber wieder zurück in die evangelische Kirche und arbeitet sogar wieder als Gemeindepfarrer – diesmal allerdings im Brandenburgischen.
(Quelle: J. Weiß, Geschichte der Stadt Weinheim, erschienen 1911)

Pfarrer Issel
Ernst Issel (1853-1918) war ab 1904 Pfarrer an der Weinheimer Peterskirche. Während seiner Amtszeit wurde der Beschluss zum Abriss der alten Kirche gefasst. Erst während des Abrisses, als bereits nur noch die Nordwand stand, wurde Pfarrer Issel auf Fresken aufmerksam, die unter mehreren Schichten Putz und Übermalungen zum Vorschein kamen. Er sorgte für die Unterbrechung der Abrissarbeiten. So konnten wenigstens einige der Kunstwerke, die auf das 13./14, Jh. datiert werden, gerettet werden. Pfarrer Issel fertigte ein Aquarell an, das die Anordnung der freigelegten Fresken im Kirchenraum zeigt.
Ein Teil der Fresken wurde nach Karlsruhe transportiert, wo sie im Krieg zerstört wurden. Die anderen Fresken verblieben in Weinheim: Sie wurden zunächst zwischengelagert und 1956 ins heutige Museum gebracht, wo sie in eine Wand eingelassen wurden.

Pfarrer Issel erlebte noch den Bau und die Einweihung der neuen Peterskirche. In seinen letzten Lebensjahren hatte er den Tod von zwei Töchtern und dem älteren der beiden Söhne zu verkraften. Am 5. November 1918 wurde das Ehepaar Issel tot im Schlafzimmer des Pfarrhauses aufgefunden. Die Untersuchung ergab, dass Frau Issel nachts an einem schweren Grippeanfall gestorben war und ihr Mann, der vermutlich noch Hilfe holen wollte, einem Herzschlag erlegen war. Das Ehepaar wurde unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem neuen Friedhof beigesetzt; der einzige noch lebende Sohn allerdings wusste zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts vom Tod seiner Eltern, da er an der Weltfront war.
Der Grabstein des Ehepaares steht inzwischen hinter der Peterskirche an der Friedhofsmauer. Zum 25-jährigen Kirchenjubiläum wurde 1937 im Vorraum der Peterskirche über dem Haupteingang ein Gedenkspruch zur Erinnerung an Pfr. Issel angebracht.

Erinnerung von Herrn Kühnle:
Sein Großvater war Kirchenältester zur Zeit von Pfarrer Issel. Die Großeltern erzählten später davon, dass das Ehepaar Issel kurz vor dem geplanten Ruhestand gemeinsam am selben Tag gestorben sei. Sie selbst (die Großeltern) waren davon recht beeindruckt und sagten dem Enkelkind, sie wollten gern auch am selben Tag sterben. Der Großvater starb dann aber doch vor der Großmutter …

Add comment

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Verified by MonsterInsights