Weinheim – Rückblicke und Begegnungen

Weinheim – Rückblicke und Begegnungen

Alexander Boguslawski

WEINHEIM – Rückblicke und Begegnungen

REALISIERT: OKTOBER 2019
PRODUKTION: Buch
PHOTOGRAPH: ROGER SCHÄFER
KATEGORIE: URBANE EXPLORATION

Am 11. Oktober 2019 wurde das Buch von Alexander Boguslawski „WEINHEIM – Rückblicke und Begegnungen” im Bürgersaal des Alten Rathaus in Weinheim vorgestellt. Über 60 interessierte Besucher fanden sich ein und lauschten den Reden.
Götz Diesbach, der Vorsitzende des Förderkreises des Museums Weinheim e. V., begrüßte die anwesenden Gäste und führte in das Buch ein. Andrea Sitzler, die Verlagsleiterin des Verlags Regionalkultur überreichte dem Autor ein Exemplar des neue erschienenen Buches.
Der Autor Alexander Boguslawski gab sodann einige Einblicke in sein Buch und las Textpassagen vor.
Anschließend durfte ich als Fotograf, der dieses Buch bebilderte, über meine Fotografie berichten. Hier meine kleine Rede:

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Freunde der Literatur,
liebe Freunde der Fotografie,
und liebe Freunde der Schwarzweiß-Fotografie,

was kann man überhaupt über die SW-Fotografie sagen, die ja ein Relikt aus dem 19. und 20. Jahrhundert zu sein scheint? Ist sie nicht geradezu ein anachronistisches Medium, in Zeiten, in denen wir überflutet werden mit bunten und schrillen Bildern, geschossen größtenteils mithilfe von Handys. Gedankenlose Selfies übersäen die sozialen Medien – oder sollten wir besser die unsozialen Medien sagen. Sind diese nicht der Grund dafür, dass unsere Welt immer unruhiger wird, immer überreizter und immer unfähiger, die wirklich wichtigen Dinge wahrzunehmen?

Ich glaube, die SW-Fotografie setzt hier ganz gezielt den Kontrapunkt.

Auf meiner Website „monochrom.life“ steht mein Leitmotiv … „Die Reduzierung auf das Wesentliche“. Und diese Reduzierung auf das Wesentliche schärft die Sinne. Es geht bei mir einher mit einem Phänomen: Wenn ich mir meine Leica Monochrom umhänge, sehe ich die Welt tatsächlich in SW, ganz real in SW, nicht metaphorisch. Ich tauche ein in eine andere Welt.
Aber wie entsteht sie nun, die SW-Fotografie?
Früher, in der analogen Zeit, legte ich einfach einen SW-Film in die Kamera. Das Endprodukt war immer ein SW-Bild. Mit dem Aufkommen der Digitalfotografie geht das nicht mehr. Das fotografische Produkt ist zunächst immer eine farbige Bilddatei, die man zwar mittels Photoshop in eine SW-Datei umformen kann, … aber mal ehrlich, wer hat früher daran gedacht, aus Colordias SW-Bilder zu erstellen. Das hat niemand gemacht.
Und heute?

Gäbe es da nicht die Firma Leica in Wetzlar.
2012 brachte Leica eine digitale SW-Kamera auf den Markt. Eine Kamera, die nicht farbig sieht und dementsprechend auch nichts Farbiges produzieren kann. Ohne Farbfilter vor den Pixeln der Sensoren entfallen die Interpolationen des Kamerarechners, da ja ein Pixel immer nur eine der drei Farben gesehen hat. Der Rest muss immer „erraten“ und ergänzt werden, halt interpoliert. Das gibt es bei den SW-Sensor nicht mehr. Es wird alles aufgenommen, jeder Grauwert bekommt seinen Platz.
Und das Ergebnis war so einfach wie verblüffend:
Es entstand ein SW-Bild mit einer Anmutung, die an die SW-Filme erinnerte und einem Detailreichtum, den man allerdings mit SW-KB-Filmen nie erreicht hatte. Man glaubt, man sei in der Großformat-Fotografie angekommen.
Auch ich war erstaunt über die Qualität dieser originären SW-Bilder, zumal ich mich bis dahin immer gesträubt hatte, die analoge Fotografie aufzugeben.
Der Paradigmenwechsel war eingeläutet und in meinem Kopf stand von da an ganz groß und fett „Must have“.
Im Sommer 2014 habe ich eine Leica M Monochrom bestellt, übrigens eine Messsucherkamera, keine Spiegelreflexkamera, und ich musste lange 6 Monate darauf warten. Seit ich sie habe, bin ich in eine andere Welt der Fotografie eingetaucht, mit dem unbedingten Willen, den „Spirit of Leica“ zu ergründen.

Mit dieser Kamera wird manuell fotografiert:
Ich stelle mit der Hand das scharf, was ich auch scharf haben möchte. Ich bestimme durch die Blende, welcher Bereich unscharf und auf welche Art und Weise er unscharf werden soll. Ich bestimme mit der Über- und Unterbelichtung die Aussage des Bildes, und mit der ISO-Einstellung gebe ich den Filmcharakter vor.
Sie merken, … ich bestimme, was hinten rauskommt, und nicht der Computer in der Kamera.

Die Nachbearbeitung, die früher in der Dunkelkammer erfolgte, findet jetzt sinnigerweise in „Lightroom“ statt, ein Programm, das eine non-destruktive Bearbeitung der digitalen Negative ermöglicht, denn ich fotografiere grundsätzlich im RAW-Format. Das heißt, die Dateien bestehen zunächst aus Photonenwerten, die im Programm „Lightroom“ zu Bildern gebaut werden, um diese dann auch bearbeiten zu können.
Diese Technik muss man verstehen und anwenden können, um sich voll und ganz auf die kreativen Aspekte der Fotografie konzentrieren zu können.

Ich habe eine Vorstellung meines Bildes, so wie es mal aussehen soll, und intuitiv arbeite ich so mit meiner Leica.
Die Philosophie wäre ohne die Mathematik und ohne die Physik nicht denkbar, und so verhält es sich auch mit der Fotografie. Jetzt werden Sie sich sicher fragen, was haben Mathematik und Physik mit Fotografie zu tun.

Unsere Umwelt nehmen wir als dreidimensionalen Raum wahr, aber die Fotografie muss daraus eine zweidimensionale Bildfläche machen. Und das ist ein mathematisch hoch komplexes Unterfangen. Das wissen auch viele berühmte Künstler aus vergangenen Jahrhunderten. Der Blick durch den Sucher setzt ein mathematisches Prozedere in Gang, um dem späteren Betrachter des zweidimensionalen Bildes die Dreidimensionalität des fotografierten Geschehens echt erscheinen zu lassen.
Hört sich kompliziert an, ist es auch.

Also das erste Kriterium erfüllt: Wir brauchen in der Fotografie die Mathematik.
Und die Physik?
Optische Gesetze sorgen dafür, dass nicht immer alles optimal bei der Abbildung der Realität abläuft. Brennweite, Verschlusszeiten, Blende, Fokussierung müssen sorgsam aufeinander abgestimmt sein, um zu einem guten Ergebnis zu gelangen. Wenn Sie davon ausgehen, dass meine Leica 10 Brennweiten hat (sprich Objektive), jedes Objektiv 20 Blendeneinstellungen und die Kamera nochmals 20 Zeiteinstellungen und 15 ISO-Einstellungen, dann gibt es Millionen Einstellmöglichkeiten.

Und jetzt kommt noch die Philosophie ins Spiel. So wie in der Philosophie der Standpunkt des Philosophen wichtig ist, so wichtig ist auch der Standpunkt des Fotografen. Manchmal sind es nur Zentimeter, die eine Bildaussage gelingen oder nicht gelingen lassen.
Die Fotografie ist schon ein Abenteuer. Manchmal weiß man auch nicht, wie es ausgeht.
Wichtig für mich ist, dass ich mir ein bestimmtes Thema vorgebe, z. B. Kloster Lorsch, neue Synagoge in Mainz, das Bankenviertel in Frankfurt, der Schlosspark in Schwetzingen, der Hauptbahnhof in Ludwigshafen, … etc. Und da ist sie wieder, die Reduzierung oder auch Konzentration auf das Wesentliche.

Ich muss eintauchen in das Thema, und zwar so intensiv, dass ich manches um mich herum nicht mehr wahrnehme. So bin ich schon in Gräben und Kuhlen gefallen, habe mir Verätzungen in Brennnesselstauden zugezogen, und auch hin und wieder Autos zum Bremsen gebracht. Meine Frau hat da so ihre Last mit mir. Am liebsten würde sie mich alleine mit der Kamera nicht mehr losziehen lassen. Die Arbeit in „Lightroom“ ist dann natürlich erheblich entspannter und ungefährlicher.

Aber ein Bild ist erst dann ein Bild, wenn es gedruckt ist. Selbst der beste Bildschirm kann nicht das Gefühl ersetzen, ein gelungenes Bild in Händen zu halten. Es ist ein haptisches und visuelles Erlebnis, das ich nur zu gerne genieße.

Die Bilder, die hier heute Abend ausgestellt sind, werden in höchster Auflösung mit den 4 Farben Hellgrau, Mittelgrau, Schwarz und Mattschwarz auf Hahnemühlepapier gedruckt. Mattschwarz ist dabei noch schwärzer als Schwarz. Das Hahnemühlepapier besteht zu 100% aus Baumwolle. Farben und Baumwolle dürften also locker mehrere Generationen überleben, wenn man sie nicht vorher fachgerecht verrotten lässt. Zumindest behaupten das die Hersteller. Die Firma Hahnemühle existiert übrigens schon seit Gutenbergs Zeiten.

Wie sind jetzt diese Bilder in das Buch gekommen?
Am Anfang war da eine Idee. Die Idee von Alexander Boguslawski. Wir beiden kennen uns ja schon aus kommunalpolitischen Zeiten. Und ich glaube, es war im Spätherbst des vergangenen Jahres, als er anrief und mich fragte, ob ich mir vorstellen könne, sein neues Buch mit SW-Fotos zu bebildern. So einfach die Frage ist, umso mehr setzte sie doch dann einen intensiven kreativen Prozess in Gang, der im Ergebnis heute vor Ihnen liegt.
Wir trafen uns zu einem Kaffee-Plausch und ich durfte anschließend das Rohmanuskript lesen. Schon während des Lesens spulte sich ein Film mit SW-Bildern in meinem Kopf ab, mit Bildern, die ich bereits erstellt hatte. Ich habe dann ca. 100 Bilder ausgesucht, die für mich gut zu den Geschichten passen würden. Aus diesem Konvolut suchte dann Alexander Boguslawski 25 Bilder aus und ordnete sie den einzelnen Passagen des Buches zu. Mehrere Fahrten zum Verlag folgten, ebenso die Optimierung der Bilder für Offset und den Bilderdruck.

Und irgendwann hielt ich das fertige Buch in Händen. Beim Lesen des fertigen Buches gab es mehrmals sehr emotionale Augenblicke, es war die verblüffend gute Kongruenz von Verbalem und Visuellem, es passte alles so gut zusammen. Die Stimmungen in den Erzählungen werden durch die Bilder verstärkt und ich empfand beim Lesen eine seltsame Affinität zu den Protagonisten der Geschichten.
Ich bin überzeugt, es ist ein les- und erlebbares Buch entstanden, das eigentlich in jedes Bücherregal in Weinheim gehört.

Und das ist auch schon meine Schlussbemerkung. Ich hoffe, meine Ausführungen waren informativ und nicht zu ausführlich.
Aber, bevor wir gleich zum Essen und Trinken übergehen und uns noch detailliert austauschen können, doch noch eine kurze Info: Alle Bilder aus dem Buch kann man im Format 50x70cm, so wie die hier ausgestellten, kaufen. Ein Bestellschein liegt bei den Büchern aus.

Ich bedanke mich für Ihr geduldiges Zuhören und wünsche noch einen schönen Abend.

(Bilder: Birgit Schäfer)

Weinheim – Rückblicke und Begegnungen

 

“Da sind nur du und deine Kamera. Die Grenzen deiner Photographie liegen in dir selbst, denn was wir sehen, ist was wir sind.”

 

Ernst Hass

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